ERFAHRUNGSORIENTIERTE THERAPIE
Erfahren, was gesund macht.
In den 1990er-Jahren saß ich (Dr. Kilian W. Mehl) mit einer großen Selbsterfahrungsgruppe in einem Gruppenraum der Klinik. Mühselig und beladen sahen die Menschen aus, berichteten zögerlich und „wie gelernt“ von ihren Leiden. Oder, einfach ausgedrückt: Es war mir viel zu wenig Bewegung und Lebendigkeit in der Gruppe. Nicht, dass alles fröhlich und lustig sein sollte – nein, aber irgendwie eben bewegt und lebendig. Die Klinik war damals noch überschaubarer als heute von ihrer Größe, und so verkündete ich, dass sich jetzt jeder ein Stück Holz vom Holzstapel im Garten holen solle, in der Küche eine Bratwurst, und dass wir dann wegfahren würden.
Plötzlich kam Leben in die Gruppe.
Es gab Bedenken, Vermutungen, Ängste, Freundlichkeit. Klinikbusse und Fahrzeuge fuhren vor, Jüngere halfen Älteren, Bedenkenträger wurden beruhigt, und wir fuhren 15 Minuten zu einem Fluss, machten einen kurzen Fußweg durchs Gelände. Ich bat, Feierabend zu machen, sich die Wurst zu braten, und sie spielten einige Spiele und machten Übungen.
Ich erlebte die Patientengemeinschaft ganz anders: Denken, Fühlen, Handeln kamen aus einer neuen Perspektive.
Eine depressive ältere Dame berichtete von den Walddüften, die sie so lange nicht mehr gerochen hatte.
Ein junger „Egozentriker“ zeigte sich als Altruist. Ein Naturbursche zeigte den Städtern, wie man eine Wurst
grillt, und so weiter. Das Prinzip des Lebendigen war spürbar.
Das war die Geburtsstunde der erfahrungsorientierten Therapie, die wir daraufhin entwickelten:
Sei es die Therapie mit und auf dem speziell entwickelten Hochseilgarten, der Einsatz des therapeutischen Bogenschießens, die medizinischen Naturreisen oder andere ganzheitliche Vorgehensweisen, bei denen Körper, Seele und Geist gleichermaßen eingebunden wurden.